NÜTZLICHE HINWEISE FÜR DIE FAMILIENFORSCHUNG

 

Nützliche Hinweise steht auch als Broschüre zur Verfügung und enthält die von den Vereinsmitgliedern erforschten Familien, eine Mitgliederliste und andere Hinweise. Die digitale Version wird nur noch auf Wunsch als pdf versendet, Sie finden alle Informationen in den Untermenüs.

Weitere interessante Hinweise

Wie benützt der Familienforscher das Rätsiche Namenbuch (RNB)
Die angegebenen Tipps sollen das Auffinden einens Familienenamens im Band III, Teil I und II des Rätsichen Namensbuches erleichtern.

Suchen Sie einen Bündner in Genf?

Den Anfang gemacht hatte das Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden, nun hat das Staatsarchiv von der
Republik und des Kanton Genf nachgezogen. Seit einiger Zeit sind die Kirchenbücher und Zivilstandsregister der Stadt Genf, von Carouge, Eaux-Vives, Plainpalais, Petit-Sacconex und Satigny gebührenfrei online von den Anfängen bis 1880 im Original einsehbar. Die Matrikeln weiterer Orte werden nach und nach folgen.

Die veröffentlichten Totenregister der Stadt Genf setzen mit dem Jahr 1568 ein, die Tauf- und Ehematrikeln um 1763. Mit dem Jahr 1798 treten an Stelle der Kirchenbücher Zivilstandsregister (registres d‘état civil) nach französischem Vorbild. Diese sind für den Familienforscher viel reizvoller
als die oft nüchternen Kirchenbücher. So werden bei jeder Geburt und bei jedem Todesfall zwei Zeugen, bei jeder Trauung vier Zeugen mit Name, Vorname, Alter und Beruf und zumeist mit der Wohnadresse genannt. Die Zeugen stammen des Öfteren aus dem familiären oder beruflichen Umfeld und erweitern so das Fundbild. Für den Einstieg genügt folgende Eingabe:

http://etat.geneve.ch/dt/archives/accueil.html

Über die elektronischen Verweise (Links) „Base de données Adhémar“ und „Tous les documents enligne“ gelangen Sie zu den „Registres de l’état civil“ und damit zum Verzeichnis der einsehbaren Kirchenbücher und Zivilstandsregister. Diese sind nach Jahrgängen geordnet und enthalten in der
Regel ein alphabetisch angelegtes Personenverzeichnis. Man kann sich durch das ganze Buch durchklicken und jede Seite vergrössern.

Und jetzt fragen Sie sich, zu welchem Zweck man als Thusnerin oder Davoser Kirchenbücher und Zivilstandsregister aus der entferntesten Ecke unseres Landes einsehen sollte.

Genf / Genève, die Stadt Calvins, hat schon sehr früh Bündnerinnen und Bündner angezogen, vor allem solche aus reformierten Talschaften. In Genf findet man Domleschger Dienstboten, Söldner aus dem Schams, Gendarmen und Zollbeamte aus dem Rheintal und viele mehr. Allein zwischen 1780 und 1880 sind weit über hundert Zuckerbäcker aus Graubünden in Genf tätig gewesen. Manche haben dort geheiratet, Nachkommen gezeugt und sind in der Rhônestadt verstorben.

Suchen Sie ein passendes Bild für Ihre Familiengeschichte?

Dazu gibt es heute mehere Möglichkeiten. Unteranderem sammelt die Fototeca des Instituts Dicziunari Rumantsch Grisund DRG in Chur historische Aufnahmen aus allen Bündner Tälern. fototeca.drg.ch
Die Fotostiftung Graubünden sammelt das visuelle Gedächtnis des Kantons Graubünden, die Sammlung ist umfangreicher als die Fototeca, doppelte Einträge sind jedoch kaum vorhanden. mediathek-graubuenden.ch
Zudem sind auf der Archivdatenbank des Staatsarchives etliche Fotos vorhanden. staatsarchiv-findsystem.gr.ch

Kennen Sie Archives Online?

Archives Online erlaubt den gleichzeitigen Zugriff auf die öffentlich zugänglichen Datenbanken verschiedener Archive in der Schweiz. Bis heute haben sich die Schweizerische Nationalbibliothek in Bern, 16 Staatsarchive, darunter auch das Staatsarchiv Graubünden, das Stadtarchiv Schaffhausen, das Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich, die Burgerbibliothek Bern und das Schweizerische Sozialarchiv in Zürich dem Portal angeschlossen.

Unter der Internet-Adresse http://www.archivesonline.org gelangen Sie auf die Seite von Archives Online, wo Sie alle Datenbanken gleichzeitig nach
einem Stichwort durchsuchen können. Zusätzlich kann die Suche auf einen Zeitraum und / oder auf eine Auswahl von Archiven eingeschränkt werden. Die Resultate erscheinen auf einer übersichtlichen, sortierbaren Liste. Mit einem Klick auf einen Treffer gelangen Sie direkt in die Datenbank des betreffenden Archivs, wo sie detaillierte Informationen zum gefundenen Dokument erhalten.

Probieren Sie es aus! Ob Sie „Capuns“ oder „Schuders“ eingeben oder nach typischen Bündner Familiennamen wie Caviezel, Däscher oder Giovanoli
suchen, Archives Online wird Ihnen Resultate in Archiven liefern, wo Sie es nie erwartet hätten.

Suchen Sie eine Grosstante in Amerika?

Von 1846 bis 1880 musste jeder Auswanderer behufs „Bereinigung seiner Rechnungsverhältnisse“ eine kreisamtliche „Auswanderungsanzeige“ veröffentlichen lassen. Das „Amtsblatt des Kantons Graubünden“ in einer frei zugänglichen, vollständigen Sammlung auf der Galerie im Lesesaal des Staatsarchivs in Chur enthält hunderte solcher Auswanderungsanzeigen (Signatur: GAB). Die Abreise erfolgte in der Regel wenige Tage oder Wochen nach der Publikation der Auswanderungsanzeige.

Die im Staatsarchiv vorhandenen Passregister (Signatur: CB IV 117 ff.) beginnen erst 1873, sind aber (mit einer Lücke 1907 bis 1921) bis 1940 vorhanden. In diesen, am Tag der Abreise von Chur angelegten Registern ist oft das genaue Ziel eines Auswanderers angegeben. Doch aufgepasst: Auswanderer aus dem Gebiet des Hinterrheins und aus den Südtälern wurden in regionalen Passregistern vermerkt, die leider nie ins Staatsarchiv gelangten!

Ab 1855 mussten sich die Auswanderer am Landungsplatz Castle Garden in New York strengen Kontrollen unterwerfen. Unter der Internet-Adresse
www.castlegarden.org und dem Link „search“ findet man Informationen zu rund elf Millionen Einwanderern (Name, Vorname, Alter, Beruf, letzter Wohnort, Einschiffungshafen, Schiff, Datum der Ankunft). Leider beruhen alle Angaben dieses kostenlosen Services auf Abschriften der Originale und enthalten erschreckend viele Fehler. Versuchen Sie es trotzdem!

1892 wurde Castle Garden durch Aufnahmegebäude auf Ellis Island abgelöst, einer der Südspitze Manhattans vorgelagerten kleinen Insel. Durch Ellis Island sind bis 1924 annähernd 16 Millionen Einwanderer geschleust worden. Wenn man unter www.ellisisland.org einen Namen in die Suchmaske eingibt, erscheint eine Liste aller Einwanderer dieses Namens mit Ergänzungen (Alter, Ankunftsjahr etc.). Um weitere, kostenlose Informationen zu erhalten, muss man sich mit Namen und Passwort registrieren lassen. Dann kann man beispielsweise „ship manifest“ anklicken und die originale Passagierliste einsehen. So findet man unter Umständen weitere, gleichzeitig ausgewanderte Familienmitglieder, erfährt das Reiseziel des Auswanderers, weiss, wie mager sein Geldbeutel bei der Ankunft in Amerika war, etc.

Falls Sie mit obigen Hinweisen Erfolg haben, können Sie schon ein spannendes Zwischenspiel aus dem Leben Ihres Auswanderers niederschreiben.
Natürlich ist die Suche nach dem Erbonkel damit nicht beendet! – Doch weitere Schritte durch die Nebelschwaden der Vergangenheit behalten wir uns als „Füller“ für eines der nächsten Mitteilungsblätter vor.

Voralrberger Pfarrmatrikeln im Internet / Österreichische Pfarrmatrikeln

Familienforscher:innen dürfen sich freuen, war es umständlich in den Nachbarländern zu den Pfarrmatrikeln Zugang zu bekommen, ist es dank der digitalen Welt einfacher geworden. Sofinden sich die Voralbergischen und grosse Teile von Österreich Pfarrmatrikeln auf Matricula. Es finden sich jedoch auch aus Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Luxemburg, Serbien und Slowenien Matrikel.

Kennen Sie die Familienforschungskartei? und andere Tipps zum Staatsarchiv Graubünden

In der Familienforschungskartei des Staatsarchivs Graubünden finden Sie die Signaturen von Stamm- und Nachfahrentafeln, von Ahnentafeln und Adelsbriefen vieler Bündner Familien. Neben genealogischen Notizen und ganzen Abhandlungen über einzelne Geschlechter enthält sie aber auch Biographien, Korrespondenzen, Würdigungen, Nekrologe, Briefwechsel, Leichenpredigten und Erinnerungen ungezählter Einzelpersonen. Ergänzt wird die Kartei durch Verzeichnisse von Auswanderern, Bürgerlisten, Zusammenstellungen von Amtsträgern und vielerlei mehr.
Die Kartei, die laufend weitergeführt wird, umfasste anfangs März stolze 518 Seiten mit weit über 7‘000 Einträgen zu 1‘985 Familien von Abele, Abys, Accola, Adank bis Zuri, Züst, Zwinger und Zyndel. – Die Kartei ist über Internet als PDF abrufbar. Staatsarchiv Graubünden

Unter dem gleichen Link finden sie die Findmittel rund um das Thema Familienforschung des Staatsarchivs. Zum Beispiel die Auflistung aller im Archiv vorhanden Kirchenbücher, Bürger- und Familienregister.

Haben Sie gewusst, dass:

  • in den Jahren 1835, 1838, 1848 und 1850 in den Gemeinden des Kantons Graubünden
    Volkszählungen stattgefunden haben? Diese sind im Staatsarchiv auf Mikrofilmen vorhanden und
    können nach Voranmeldung eingesehen werden. Besonders hilfreich für Familienforscher sind die
    Angaben der Jahre 1835 und 1850.
  • geplante Auswanderungen in den Amtsblättern publiziert wurden? Für die Jahre 1867 – 1882
    existieren gar ausführliche Verzeichnisse unter dem Stichwort Auswanderungsrüfe. Diese finden
    Sie ebenfalls im Staatsarchiv unter der Signatur GAB.

Suchen Sie den Söldner in holländischen Diensten?

Am 27. Oktober 1814 schloss der Stand Graubünden mit den Vereinigten Niederlanden eine Militärkapitulation (Soldbündnis) über die Errichtung eines Regiments. Im Regiment v. Sprecher Nr. 31 verpflichteten sich bis zu seiner Auflösung im Herbst 1829 nicht weniger als 4402 junge Männer zum Solddienst. Die weitaus meisten stammten aus den Kantonen Graubünden, Appenzell und Glarus. Die Bündner kamen vor allem aus der Herrschaft, der Heimat des Regimentsinhabers Jakob Sprecher v. Bernegg, aus dem Prättigau, dem Vorderrheintal mit seinen Seitentälern und dem Domleschg. – Im Staatsarchiv Graubünden wird ein sogenanntes Stammbuch, ein Verzeichnis dieser Söldner verwahrt, das aber nur die Nummern 2047 bis 3241 enthält (Signatur B/N 414). Seit kurzem ist jedoch das ganze, fünf Bände umfassende, in Holland archivierte Verzeichnis im Internet abrufbar. Suchpfad:

1. http://www.familysearch.org – 2. Continental Europe – 3. Netherlands,
Army Service Records, 1807-1929 – 4. Durchblättern 103’682 Aufnahmen –
5. Regiment von Sprecher no 31

familysearch.org ein Benutzerkonto ist zwingen, jedoch kostenlos.

Nun können die sorgfältig angelegten Stammbücher durchgeblättert werden. Neben den biographischen Eckdaten (Geburt, Eltern, Herkunft, Körpergrösse, Signalement) enthalten sie weitere interessante Angaben.

Der musikalische Paulus Guler (2744) aus Klosters ist als Tambour und Pfeifer engagiert worden. Anthon Bergamin (2436) von Obervaz verpflichtete sich für sechs Jahre, desertierte aber schon nach 14 Monaten. Caspar Davaz (2758) von Fanas diente zehn Jahre, Fidel Davatz (3245) vier. Der braunäugige Martin Meuly (932) von Medels wurde am 1. April 1819 ehrenvoll entlassen, der schwarzhaarige Gaudenz Samadeno (2464) von Poschiavo am 11. Januar 1820. Die Altersgenossen Johann Julius Schuler, Georg Anthon Cadiely und Johann Plazidus Cavigilli (2445-2447) von Siat zogen gemeinsam nach Holland und kamen nicht wieder. Sie sind nicht im Pulverdampf gefallen, sondern im „Krankensaal zu Antwerpen” gestorben.

Ahnentafel oder Stammbaum

Tipps rund um die Suche und Auflistung bei der Forschung in den Archiven. Tipps von Frau Metzger

Ahnensuche im Unterengadin - Forschungsbericht von Herr Norbert M. Borengässer

Bei der Suche nach Vorfahren mütterlicherseits stieß ich seinerzeit auf einen 1768 in Hergenrath, südlich Aachen im heutigen Belgien, verstorbenen Jakob Neuner, zu dem es in der Sterbematrikel der einzigen Tochter Maria Theresia (Hergenrath 1805) heißt, er sei Steinmetz aus Sent in Tirol gewesen; es fanden sich in Hergenrath (und den umliegenden Orten: Eynatten, Hauset, Kelmis, Moresnet) keine Matrikel zu seiner ersten Frau, Anna Maria Pitsch, oder einem seiner insgesamt vier Kinder.

Nun liegt Sent nicht in Tirol, sondern im schweizerischen Unterengadin, Kanton Graubünden, auf einer vorgewölbten Terrasse des Piz Spadla 1440 m ü. M. und gut 300 m über dem das Tal auf  etwa 1125 m durchfließenden Inn. Kontakte ermöglichten mir die Durchsicht digitalisierter Kirchenbücher des Unterengadin im Graubündner Staatsarchiv zu Chur, wobei nur Tarasp über kath. Kirchenbücher verfügte, weil es bis 1803 eine habsburgische – katholische – Enklave in reformiertem (kalvinistischem) Umland war, während die übrigen Orte protestantische Kirchenbücher aufwiesen, Sent – nach mehrfacher Aufforderung – überhaupt erst 1770 angelegte. Auch die Bücher der nächstgelegenen kath. verbliebenen Orte, nämlich Müstair im Münstertal und Samnaun (zwar zum Unterengadin gehörend, aber durch einen Bergstock isoliert und mit PKW nur über Österreich zu erreichen), wurden erfolglos auf die Namen Jakob Neuner und Anna Maria Pitsch hin durch gesehen. Von verschiedenen Kennern der Schweizer (Kirchen-) Geschichte, darunter der Diözesanarchivar, wurde geäußert, ein von den die kath. Seelsorge im protest. Unterengadin treibenden Kapuzinerpatres angelegtes „mobiles“ Kirchenbuch müsse im Schweizer Provinzialat des Ordens deponiert sein. Ich kontaktierte per Mail das Provinzialat der Schweiz in Luzern, das der Norditalienischen Provinz in Brescia (der die ersten Patres angehörten) und das Tirols (Tiroler Patres lösten 1716 auf kaiserlichen Wunsch die it. ab) in Innsbruck. Alle verneinten, im Besitz des Buches zu sein, allein Brescia verwies darauf, beim Wechsel alle Unterlagen im von ihnen 1710 noch in Müstair errichteten Ospiz hinterlegt zu haben. Auf Anfrage dort hieß es, das Kulturgut ruhe in 80 Bananenkartons auf dem Speicher und man wisse nicht, was diese im Einzelnen enthielten und ob das Gesuchte darunter sei. Im folgenden Sommer war ich zwei Monate in Müstair damit beschäftigt, die etwa 2.000 Bücher aus dem 16.-20. Jh., überwiegend theologische Fachliteratur, zu katalogisieren und in eigens angeschafften Magazinen geordnet aufzustellen (inzwischen stehen sie in der Bibliothek von Kloster Son Jon, Müstair, einer Gründung Karls des Großen und heute Weltkulturerbe), außerdem das Pfarrarchiv zu ordnen und ein Findbuch anzulegen (nebenbei wurde noch eine Kapelle teilrenoviert), das Gesuchte fand sich jedoch nicht. Allerdings konnte ich dort Fachliteratur einsehen, aus der hervorging, dass zahlreiche Originaldokumente aus der Zeit der Kapuzinermission im Pfarrarchiv zu (Tarasp-) Fontana im Unterengadin aufbewahrt würden. Das Folgejahr sah mich in Fontana, wo mir der ehrenamtliche Pfarrarchivar zunächst die originalen Matrikelbücher der Pfarrei Tarasp vorlegte, die aber, wie ich schon durch meine Einsichtnahme der Digitalisate in Chur wusste, nur Einträge aus der kleinen kath. Pfarrei Tarasp (Schloss Tarasp und einige umliegende Weiler, insbes. Fontana) enthielt, aber keine Pfarrfremden aus dem übrigen Unterengadin, etwa aus Scuol oder Sent. Angesprochen auf die laut Angaben in der Literatur hier befindlichen Dokumente, begegnete ich nur Unkenntnis und Achselzucken, erhielt aber die Erlaubnis, die ehemalige, im hintersten Winkel des Pfarrhauses aufgestellte Bibliothek (vornehmlich theol. Bücher der 1. Hälfte des 20. Jh.) zu durchstöbern. Nicht in den Regalen, aber in Stapeln von Altpapier fand ich ein Kartönchen und in diesem die Originalblätter (sechs noch zusammenhängende Blätter im Format von etwa DIN A5) des in der Literatur (A. Thaler, Tarasp) genannten „Taufbüchleins“. Es enthält die von P. Donat à Corteno, der seit 1625 als Mitarbeiter von P. Ignaz von Bergamo (†6.3.1632) im Unterengadin wirkte, von Ende 1630 bis zu seinem Tod (6.11.1635) als Opfer der Pest notierten 54 Taufen, alle bezogen auf Sent; sieben weitere Taufen für die Zeit bis August 1638 wurden von den Patres Ezechiel und Maurus vermerkt, dann brechen die Aufzeichnungen ab. Im Anschluss an meinen Aufenthalt in Fontana studierte ich in Müstair die dort aufbewahrte ausführlichere handschriftliche Vorlage des Büchleins von P. Albuin Thaler und einige andere gedruckte Bücher zu den kirchlich-politischen Verhältnissen im Unterengadin.

Nach A. Hohenegger, Provinzchronist und -archivar, hatten die Kapuziner der it. Provinz Brescia 1636/37 neben der Mission = Seelsorge der im Unterengadin verstreuten, kirchlich gesehen heimatlosen Katholiken auch die Betreuung der Pfarrei Tarasp übernommen. Obwohl ihnen seit 1668 von Wien her der Verlust der Mission drohte, ließen sie 1674/77 die jetzige, der hl. Dreifaltigkeit geweihten Kirche von Tarasp in Fontana errichten. Das Leben in der kath. Enklave unter dem Zepter Habsburgs war auch nicht einfach, aber nicht lebensbedrohlich, wie zeitweise das als Nachbarn der unduldsamen Kalvinisten. Ein Erlass von 1662 (erneuert 1673 und 1688) verbot u.a. das Zusammenleben unverheirateter Paare, verboten war auch die Dienstannahme in häretischen Orten (d.h. außerhalb von Tarasp, was in der Praxis weder einzuhalten noch zu kontrollieren war); bestraft wurden die Nichteinhaltung von Feiertagen, das Fern­bleiben von der Sonntagsmesse, die Teilnahme an Tanzveranstaltungen oder die „Lokalhergabe“ dazu. Andererseits stand die Drohung der Protestanten im Raum, nicht nur den Patres die Köpfe einzuschlagen, sondern auch jenen Katholiken, die nach Tarasp in die Kirche gingen. Katholiken, die ins Unterengadin eingeheiratet hatten, wurden ausgewiesen, Taufen wurden verweigert, beerdigte Katholiken mussten anschließend noch eine Beerdigung nach reformiertem Ritus über sich ergehen lassen. Nach J. F. Fetz gab es 1632/33 noch 287 Katholiken in acht Gemeinden (außer Tarasp) des Unter­engadin; allein das abgelegene Samnaun war bis auf eine Familie katholisch geblieben. Alle Vergleiche zwischen beiden Parteien wurden in der Regel von den Reformierten, immer wieder an- und aufgestachelt von den Prädikanten, gebrochen; man forderte die Einhaltung dessen, was ihnen nutzte, gestand den Katholiken in der Praxis aber nichts zu, verschärfte die Situation vielmehr noch durch falsche Anschuldigungen. Hauptproblem war die „entschiedene Intoleranz der Prediger und ihrer Anhänger“ (Fetz 198). 1634 erließ der Beitag der 3 Bünde per Dekret Vorschriften, die massiv in das kath. Kirchenrecht eingriffen (z.B. die Frage der Gültigkeit von Mischehen betreffend) und von Rom nicht hingenommen werden konnten. Die Glaubens­kongregation ließ 1639 eine Visitation Graubündens vornehmen; den Missionaren wurde höchster Ruhm dadurch zuteil, dass ihnen alle Häretiker Feind seien. Das Bestreben der Reformierten ging dahin, zunächst die ihnen verhassten Kapuziner aus ganz Rätien zu ver­treiben. Am 19.3.1639 hatten sich Unterengadiner Gemeindevorsteher in Sent versammelt und „zur Ehre Gottes und (zum) Wohl des Volkes“ gerichtlich (!) festgesetzt, dass die Kapuziner bis zum 25.3. die Pfarrheime zu verlassen und diese den Gemeinden zurückzugeben hätten (gemeint waren die reformierten Gemeinden, denen sie nie gehört hatten), und zwar – wahrheitswidrig – gemäß einer gemeinsamen Verordnung der Erzherzogin in Innsbruck und der Vorsteher der 3 Bünde. Im selben Jahr verboten sie den Katholiken in Schuls, Sent und Schleins bei schwerer Strafe, die Orte vor Ende der reformierten Predigt zu verlassen; diese wurde so spät angesetzt, dass hernach keine Zeit blieb, rechtzeitig zur hl. Messe nach Tarasp oder Nauders (Grenzort in Tirol) zu gelangen. Anfang April 1639 sammelten sich die verbliebenen Kapuzinerpatres in Tarasp, die „von jetzt an eine noch schwierigere Aufgabe hatten als zuvor, nämlich von hier aus die zerstreuten Katholiken zu pastorieren“ (Th. 86). Infolge der schwedischen Bedrohung während des 30-j. Krieges gab Österreich seinen Einsatz für die Katholiken im Unterengadin im Vertrag von Feldkirch (9.8.1641) offiziell auf. Vereinbart war, dass die Kapuziner zurückkehren dürften und allen Seiten freie Religionsausübung zuge­sichert wurde. Auch dieser Vertrag blieb Makulatur. „Die Capuziner kehrten demnach nicht mehr in’s Unterengadin zurück und die Katholiken daselbst mußten ihrem traurigen Schicksale überlassen werden“ (Fetz 206). Die Mission im Unterengadin musste 1648/49 endgültig wegen der Machenschaften der Protestanten aufgegeben werden; es blieb nur noch Tarasp (vgl. Th. 124-129). Das Vorgehen der Protestanten muss teils so brutal gewesen sein, dass selbst ev. Historiker von einem bleibenden Makel der Reformation sprechen und P. Thaler diese Reformation zu Recht als Revolution bezeichnet.

Die Folge war eine weitere Verrohung der Sitten. Für die verdrängte kath. Religion kamen mehr Mord, Raub und Diebstahl auf, d.h. im Protestantismus machte jeder was er wollte: mit der alten Religion waren auch Gesetz und Ordnung über Bord geworfen worden. 24 Straßenräuber wurden hingerichtet, hunderte waren geflohen; einer erklärte vor der Hinrichtung: „… was habe ich zu fürchten; soll mich der Tod oder die Hölle erschrecken? Habt nicht Ihr (Prädikant), mein Lehrer, gesagt, daß alles, was immer ich Gutes oder Böses in meinem Leben thue, aus Eingebung und Anordnung Gottes geschehe? So habe ich gethan und in dieser Hoffnung will ich sterben!“ (Th. 104) Daraufhin unterzogen die Reformierten ihre Lehre über den menschlichen Willen einer Revision …

Zwischen 1758 und 1761 gab es in der Pfarrei Tarasp, die 1767 gerade einmal 340 Seelen zählte, 16.500 Kommunionen (Hoh. 707f.). In einer Eingabe der Patres aus dem Jahr 1783 heißt es: Neben diesen Pfarrkindern standen „im ganzen Engadin bei den Kalvinern sehr viele katholische Handwerker, Tagelöhner und Dienstboten in Arbeit … auch Holzknechte und im Sommer Feldarbeiter, die manchmal zusammen um ein Drittel mehr als die Pfarrkinder von Tarasp ausmachen [das wären ca. 450!]. Sie wohnten oft mehrere Stunden vom einzigen katholischen Ort Tarasp entfernt. Auch die Pfarre selbst sei schon ausgedehnt ... Manchmal werde man 8-10 Stunden weit zu Kranken gerufen …“

Wie verträgt sich diese vergleichsweise hohe Zahl an verbliebenen Katholiken mit der Angabe von 287 Katholiken für 1632/33 und dem Befund, eine erste Volkszählung 1800 habe für den Unterengadin „null“ Katholiken ergeben (Grimm)? Wurde die „Statistik“ geschönt, um nicht zugeben zu müssen, dass es noch immer nicht gelungen war, das Unterengadin katholikenfrei zu machen? Denn warum sollte man in den 17 Jahren zwischen 1783 und 1800 die ca. 450 für sie arbeitenden Katholiken so radikal vertrieben (oder „umgedreht“?) haben, was in mehr als 250 Jahren zuvor nicht gelungen war? Und das Rätsel bleibt: wo wurden die Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle dieser noch gegen Ende des 18. Jh. hier lebenden Katholiken registriert? In den Kirchenbüchern der Pfarrei Tarasp jedenfalls nicht.

Muss man davon ausgehen, dass sich die kath. Restbestände im Unterengadin bereits bis zur Mitte des 17. Jh. (Ende der seelsorglichen Betreuung durch die Kapuziner) zu einer Katakombenkirche entwickelt hatte (es gibt etliche Berichte über geheime Gottesdienstfeiern in unterirdischen Räumen), so waren sie danach ohne seelsorgliche Betreuung auf sich selbst gestellt, tauften ihre Kinder selber, gaben sich nur vor Gott das Ja-Wort und begruben still ihre Toten, dabei die Riten soweit anwendend, wie sie ihnen in Erinnerung waren. Wie lange man diesen Zustand ertrug, ist fraglich. Viele, die ihrer angestammten Religion treu bleiben und sie auch ungestört leben wollten, wanderten vermutlich ab, spätestens dann, wenn der Bekehrungsdruck zu groß wurde oder Schikanen wieder zunahmen. Eine größere Anzahl Katholiken wird 1767 auch der lockenden Werbung des Abenteurers Johann Kaspar Thürriegel (1722-1795/1800) als Siedler nach Andalusien gefolgt sein.

Für meine aus „Sent“ stammenden Vorfahren habe ich folgendes festgehalten: Da der Name Neuner im Unterengadin nicht vorkommt, wohl aber in Tirol verbreitet ist, kam Jakob vielleicht tatsächlich von dort (hier zu suchen, käme jener Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleich) und hat ein Mädchen aus Sent geheiratet (Pitsch, als Name wohl Kurzform von pitschen = klein, kommt hier häufig vor). Als Auswärtiger wurde er möglicherweise nach dem Tod seiner Frau mitsamt den Kindern nach 1753/54 (ein „kalkuliertes“ Datum: viel früher kann die Tochter als angenommenes jüngstes Kind wegen ihrer eigenen Mutterschaft nicht geboren sein) ausgewiesen. Falls dies bereits vor Geburt der Kinder geschah, bleibt die Frage nach einem „Zwischenaufenthalt“, da sich in Hergenrath (und Umgebung) keine Sterbeurkunde der Ehefrau und keine Taufurkunden der Kinder finden. Dass sich in der Sterbeurkunde Maria Theresias nur der Name der Mutter findet, mag deren frühen Tod bestätigen, dass der Vater falsch als aus Sent in Tirol kommend bezeichnet wird darauf hindeuten, dass sich die kath. verbliebenen Unterengadiner eher mit dem kath. Tirol als mit dem protestantischen Unterengadin identifizierten, wie man mit dem Zielort quasi  im Herrschaftsbereich jener Monarchin blieb, der zu Ehren die einzige Tochter Maria Theresia genannt wurde.

 

Epilog

Die Suche nach dem „monumentalen“ mobilen Kirchenbuch, das die „Eckdaten“ zu den verstreuten Katholiken im Unterengadin für die Zeit von ca. 1625-1800 enthalten sollte und von dessen Existenz die Experten überzeugt waren, ist zu Ende: es gibt dieses Buch in der gedachten Form nicht, zumal Quellen und Literatur es nicht kennen. Meine vor Ort erhobenen Ergebnisse – u.a. dass das gesuchte Matrikelbuch nur jene sechs Blätter umfasst, die sich jetzt im Safe des Pfarrarchivs zu Tarasp befinden – teilte ich dem neuen Bischof von Chur mit und bat zugleich, im Pfarrarchiv von Tarasp nach weiteren, eigentlich dort aufbewahrten Dokumenten suchen zu dürfen. Leider hat der aktuelle Bischoff bis jetzt keine weiteren Einblicke in die gewünschen Pfarrarchive erteilt. Es ist zu hoffen, dass das Bistum seinen Entscheid Rückgängig macht und seine Archive für die Forschung öffnet.…

Unabhängig davon ergibt sich für jene, die kath. Vorfahren im Unterengadin haben, die hohe Wahrscheinlichkeit, solche in der Zeit vor 1800 nicht zu finden, da es zumindest keine kirchlichen Aufzeichnungen aus dieser Zeit gibt – mit Ausnahme von Tarasp und Samnaun und den isolierten Taufen in Sent zwischen 1630 und 1638.

Literatur: als Einstieg mein Art. Thaler, Jakob (Ordensname Albuin), in: BBKL 44 (2022) 1319-1325; Johann Franz Fetz, Geschichte der kirchenpolitischen Wirren im Freistaat der drei Bünde, Chur 1875; Paul Eugen Grimm, Sent. Geografie – Geschichte – Menschen, Chur 2015; Agapit Hohenegger, Geschichte der Tirolischen Kapuziner-Ordensprovinz (1593-1893), Bd. I, Innsbruck 1913; Albuin Thaler, Tarasp oder die Kapuziner-Mission im Unterengadin, Innsbruck 21914 (das handschriftliche, wesentlich umfangreichere Original im Ospiz zu Müstair, hieraus zitiert); Ders., Kompaß für die Reformationsgeschichte Graubündens, Innsbruck 1910.